Dada war eine Bombe, die 1916 im Cabaret Voltaire in Zürich hochging. Die Detonation der weltumspannenden Antikunstbewegung ist bis heute zu spüren. Dada beeinflusste den Surrealismus ebenso wie Fluxus, die Pop-Art und viele weitere künstlerische, intellektuelle und auch politische Strömungen wie die Pariser Situationisten im Mai 68 oder die Zürcher Jugendunruhen 1980. Zum 100-jährigen Geburtstag erkundet das Landesmuseum Zürich mit ausgewählten Exponaten den kreativen, revolutionären und universellen «Esprit Dada». Die Ausstellung «Dada Universal» ist Teil des gross angelegten Dada-Jubiläums des Jahres 2016.
Für «Dada Universal» kommen von überall her Schätze ins Landesmuseum Zürich, so etwa Marcel Duchamps «Fountain» aus der weltberühmten Sammlung des Israel Museum: Eine zum Kunstwerk erhobene Pissoirschüssel, die als «Mona Lisa» des Dadaismus gilt. Daneben ist auch Dodo präsent, der Vogel, der nicht fliegen konnte und als Inbegriff des Natur-Nonsens schon von Alice im Wunderland gefeiert wurde. Sophie Taeuber-Arps selten gezeigtes Hopi-Kostüm aus einer privaten Sammlung trifft auf afrikanische Masken aus dem Museum Rietberg und auf die «Dada-Mühle» von Hannah Höch, die eher wie eine Stange Dynamit mit Zündmechanismus aussieht und wirkt.
Das universale Nein
Dada war im Zürcher Cabaret Voltaire angetreten, um im Namen des Aufklärers Voltaire gegen den Krieg zu protestieren. Ihr Nein zum Krieg weitete sich zu einem Nein gegen die abendländische Kultur aus, welche in diese globale Katastrophe geführt hatte. Zuletzt zerschlugen sie im Lautgedicht die Sprache, auf der ebendiese Kultur gründet. Aus der Wucht der Negation entstand ein neues Ja. Solche Momente spürten die Dadaisten schon in der Antike auf oder bei Friedrich Nietzsche. Aber auch in der mittelalterlichen Mystik. In deren Schriften stiess Hugo Ball auf ein Zitat von Jesus «aeà iuo iao oia psinoter ternops nopsiter zagura pagura», was die Präsenz des Palmesels aus der Sammlung des Nationalmuseums aus dem 11. Jahrhundert in der Ausstellung erklärt.
1916: Mitten im Krieg
Die Ausstellung «Dada Universal» bettet Objekte und Zeugnisse der Dada-Bewegung in den historischen Moment des Ersten Weltkrieges ein. Eine Tarnpellerine für den Kampf an der Front, aus dem Musée de l’Armée in Paris, erinnert an das Zylinderkostüm, das Hugo Ball 1916 bei seinem legendären Auftritt anhatte, als er zum ersten Mal im Cabaret Voltaire seine Lautgedichte rezitierte und mystisch-ekstatische Momente erlebte. Und ein an der Front geschmolzenes Lebel-Gewehr zeigt neben Giacomo Ballas futuristischer Blume «Fiore Futurista» (1918) aus der Sammlung des Kunsthauses Zürich den Ohnesinn des Krieges.
«Dossiers» – die Dada-Dokumente
Collagen, Typographien und Bilder früher Filmexperimente erzeugen im Pavillon des Landesmuseums einen optischen und auditiven Taumel, wo in der Mitte der Ausstellung eine Art «Kaaba des Dadaismus» steht. In ihr thront ein Blatt, auf dem die Pariser Dadaisten die Namen all ihrer Vorbilder, von Hegel bis de Sade, zu einem Sternenhimmel anordneten. Flankiert wird die Kaaba von André Bretons «Dossier», in dem er Dokumente zu Dada gesammelt hat.
Bundesrat Alain Berset zum Dada-Jubiläum
Dada prägt die Kunst bis heute. Aber Dada lässt sich nicht einfach ins lineare Narrativ der Kunst des 20 Jahrhunderts einfügen. Dada ist widerborstig. Tristan Tzara schrieb: „Dada doute de tout/ Dada est tatou / Tout est Dada / Méfiez-vous de Dada“. Dada wendet sich gegen die Dada-Versteher. Ist das subversiv? Es ist konstruktiv!
Das Dada-Jubiläum
«Dada Universal» im Landesmuseum findet im Rahmen des hundertjährigen Dada-Jubiläums dada100zürich2016 statt. Das Jubiläum ist eine Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Partnerinnen und Partnern, Museen, Theatern, Institutionen, Festivals, Vereinen, Organisationen und individuellen Initiativen zwischen Anfang und Mitte 2016. Konzeption, Vernetzung, Begleitung und Kommunikation werden vom Verein dada100zürich2016 übernommen. Massgeblich unterstützt wird das Dada-Jubiläum durch die Stadt und den Kanton Zürich sowie durch das Bundesamt für Kultur. Es gibt Ausstellungen, Führungen und Aufführungen, Lesungen, Debatten, Seminare, Publikationen, einen Dokumentarfilm und Symposien. Partizipative Webprojekte sowie Experimental- und Popkultur fühlen Dada ihrerseits auf den Zahn. All das zusammen trägt den Jubiläumsgedanken im Kollektiv. Der Verein dada100zürich2016 initiiert und koordiniert die Projekte. Und schliesslich hat das Cabaret Voltaire als Geburts- und Heimstätte Dadas ein ambitioniertes Programm in Vorbereitung. Dada ist gross genug. Dada ist lokal, global und universal.
www.dada100zuerich2016.ch