Auf die Seiser Alm zu fahren ist wie ins Märchenland einzutreten: Verschneite
Hügel, die aussehen wie mit Zuckerguss überzogene Muffins; majestätische Berge,
die in schwindelerregende Höhen reichen und wie ein lebendig gewordenes
Bilderbuch daherkommen und Pferdekutschen, welche die Gäste durch die
winterliche Landschaft führen und diesen zu einem ebenso märchenhaften Erlebnis
verhelfen. Dazwischen Skifahrer, Snowboarder, Spaziergänger,
Schlittenfahrer....jeder frönt seiner ganz persönlichen Lieblingsbeschäftigung
und hat seinen Spass dabei.
Und da bin ich also - auf der Seiseralm, die
als grösste Hochalm Europas gilt, welche teilweise zum Naturpark deklariert und
verkehrsfrei gemacht wurde (Autos dürfen nämlich nur vor 10 Uhr morgens und nach
17 Uhr abends zirkulieren, was es mir einfach macht, während des ganzen
Aufenthaltes auf die vier Räder zu verzichten) und bin in einem Apartment
untergebracht, das gerade mal sieben Meter von der Skipiste entfernt liegt. Dort
werde ich täglich kurz nach sieben Uhr von den Sonnenstrahlen geweckt, die durch
die Nachtvorhänge ins Innere kriechen und mein Skifahrerherz höher schlagen
lassen - Sonne! Was für ein Wetter! Das wird wieder ein Traumtag! Der Kontrast
von stahlblauem Himmel und schneeweissen Pisten macht das Skifahren erst recht
zum Genuss.
Nach einem reichhaltigen Frühstück mache ich mich auf die Bretter,
welche die Freiheit bedeuten; ja, denn auf den Skiern fühle ich mich völlig
frei, schwebe über die Pisten und fliege durch die Gegend - und sinniere dabei
über die Spezies Skifahrer, die ich als allgemein fröhliches Volk wahrnehme, das
meist guter Laune ist, was meiner Meinung nach nicht zuletzt mit der erheblichen
Ausschüttung von Glückshormonen während der Ausübung des Sports zu tun hat. Und
ja, zu den Frühaufstehern gehört diese Spezies auch...
Als etwas weniger gut gelaunt kommen mir die Südtiroler vor: Ich habe sie
wohl als nett und zuvorkommend erlebt, aber nicht überaus gastfreundlich und des
unaufhörlichen Dauertourismus leicht überdrüssig.
Die Südtiroler sind ein Volk
für sich, schon rein durch die geografische Lage ihrer Heimat noch nicht ganz
Italiener, aber auch keine Oesterreicher mehr; sie vereinen in ihrer Kultur
gekonnt italienische Lebensfreude mit österreichischer Präzision und gehen von
Kindesbeinen an auf ganz natürliche Art und Weise zwei- , wenn nicht gar
dreisprachig (mit der Minderheitssprache Ladinisch) durch die Welt. So ist der
deutsch-italienische Sprachmix nicht nur bei den Einheimischen an der
Tagesordnung, sondern auch unter den Gästen, die zur Hälfte Italiener und zur
Hälfte Deutsche sind - zwei Kulturen prallen aufeinander und Missverständnisse
und kuriose Begebenheiten sind vorprogrammiert.
Nach einer Woche offline
(keine Chance auf Internetcafé, zum Glück!) komme ich geläutert und als neuer
Mensch im Tal unten an; und denke zurück an die schöne Märchengeschichte auf
einer geradezu dafür gemachten Alm. Das Märchen der Seiser Alm.
Sarah Coppola-Weber, Dezember 2011
Herrliches Südtirol
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